Mein Stickring ist mein Rettungsring
- Natascha Schröder
- 12. Mai
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 4 Stunden
Wenn sich eine Blog-Anfängerin wie ich hinreißen lässt, Hals über Kopf in ein neues Blogging-Format zu springen und dabei die üblichen "Bedenken-Trägerinnen-Gedanken" keine Chance zum Einspruch bekommen - dann hat dieses Format offensichtlich genau zum richtigen Zeitpunkt genau den richtigen Punkt getroffen. Und so kam es, dass ich am 8. Mai 2025 mit diesem Aufruf "Mein Stickring ist mein Rettungsring. Was ist Dein Anker?" meine erste Blog-Parade gestartet habe. Im Aufruf kannst Du Dich informieren, was eine Blog-Parade ist, wie sie funktioniert, wie Du selbst teilnehmen kannst.
Der Artikel, den Du jetzt gerade liest, ist mein eigener Beitrag zu meiner Blog-Parade. Ich möchte Dir davon erzählen, dass mein Stickring auch mein Rettungsring ist!

Zuerst: Mein Stickring ist mein Arbeitsgerät
Mein Stickring ist, auf der Sachebene betrachtet, eines meiner täglichen Arbeitsgeräte. Ich habe mehrere, in verschiedenen Größen, meine Ringe sind aus Holz. Und auch wenn ich sie in mehrfacher Stückzahl besitze, gibt es natürlich meinen Lieblingsring. Auf dem Foto ist es der mittlere, ein inzwischen wirklich sehr altes, echtes Erbstück. Wenn ich jetzt auf das Foto schaue, freut es mich gerade besonders, dass auch die neuen Ringe noch genau so funktionieren wie mein uralter, manches bleibt eben doch!
Apropos funktionieren: Ein Stickring besteht aus zwei Holzringen. Über den innenliegenden, kompletten Ring lege ich das Leinen, auf dem ich sticken möchte. Dann lege ich den äußeren Ring darüber. Dieser äußere Ring ist etwas größer als der innere, er ist nicht komplett "in einem Stück", sondern wird mit einer Schraube zusammengehalten. Diese Schraube drehe ich dann so fest zu, dass der eingespannte Stoff schön stramm an Ort und Stelle bleibt, wenn ich darauf sticke.

An dieser Stelle möchte ich Dir am Beispiel meines aktuellen Stick-Projektes zeigen, wie das dann aussieht, wenn Stickleinen in einen Stickring eingespannt ist. Ich lege also meine aktuelle Stickerei flach auf den Arbeitstisch - und stutze: Das ist ja "ein Zufall", ich sticke gerade Standhäuser, an einem hängt tatsächlich ein Rettungsring! Hm ...

Dass ich mit einem Stickring sticke, liegt daran, dass ich es von Anfang an nur so gekannt habe. Als ich mein erstes Stickprojekt starten wollte, bekam ich dazu einen Stickring in die Hand gedrückt, das oben im Foto gezeigte Erbstück. Sticken ohne Verwendung eines Stickrings war überhaupt keine Option, völlig undenkbar, wenn Oma, Mama, Tante ... einfach alle Frauen in der Familie mit Stickring sticken. Ich bin dem Stickring auch treu geblieben, als ich bemerkt habe, dass es doch auch ohne gehen kann, wenn es gehen muss. ;-) Ich bin an das Gewicht, den Halt, die Kraft und das gute Gefühl von "etwas in der Hand halten" gewöhnt und möchte das auch beibehalten.
Wenn ich eine Stickerei zur Seite lege, wenn ich aufhöre zu sticken, nehme ich das Leinen aus dem Ring heraus und streiche es glatt, damit es sich entspannen kann. Und wenn ich dann weitersticken möchte, nehme ich wieder meinen Stickring, spanne das Leinen wieder ein und es kann weitergehen. Es ist wie ein Ritual: hinschauen, den Anknüpfungspunkt finden, konzentrieren, ausrichten, auf stabilisiertem Stoff weiterarbeiten.
Bis hierher habe ich Dir erzählt, was mein Stickring "auf der Sachebene" ist, wie er funktioniert, welche Bedeutung er für meine Arbeit hat. Diesen ersten Teil meines Artikels habe ich sehr gerne geschrieben, weil er mein Thema "Kreuzstich" betrifft, von dem ich ja mehr in die Welt bringen möchte. Und auch wenn Du keine Stickerin bist, dieses "Stick-Ding" kennst Du jetzt - und das freut mich einfach!
Dann: Mein Stickring ist mein Rettungsring
Wenn ich immer wieder von meinem "Stickring auf der Sachebene" spreche, liegt es nah, dass es noch eine andere Ebene gibt, auf der mein Stickring eine Bedeutung hat. Dazu schreibe ich jetzt im zweiten Teil dieses Artikels meine sehr persönliche Geschichte auf.
Oben habe ich vom Gewicht meines Stickrings gesprochen, das ich so gerne in der Hand halte. Dieses Gewicht ist im wahrsten Sinne des Wortes der erste Schritt auf die andere Bedeutungsebene meines Stickrings! Als ich 2023 nach einem Krankenhausaufenthalt wieder zu Hause angekommen bin, war ich so fassungslos, dass nichts mehr ging. Meine Kraft war weg, ich konnte keine Wasserflasche die Treppe hochtragen, keine Bettdecke neu beziehen, ich konnte mich selbst kaum tragen.
So saß ich am nächsten Tag auf dem Sofa, fassungslos, ohne irgendeine Idee - und auf der einen Lehne des Sofas lag, wie immer, so wie ich es eine Woche vorher zurückgelassen hatte, mein aktuelles Stickprojekt. Das Leinen war im Stickring eingespannt, sicheres Zeichen, dass etwas anders gelaufen war als "normal". Ich habe nicht überlegt, ich habe sofort zugegriffen und den Stickring festgehalten, DAS ging! Und es war ein so wunder-volles Gefühl! Da war doch noch genug Kraft, um mein Arbeitsgerät in die Hand zu nehmen und es auch etwas länger zu halten.
In der folgenden Zeit habe ich jeden Tag auf meinem Sofa gesessen und meinen Stickring festgehalten. Es ging wirklich lange so, mein Stickring war mein Rettungsring geworden, er war immer da und greifbar. Wenn ich an einem Tag mal wieder zu viel gewollt hatte und es verzweifelt nicht mehr geschafft habe, die Wäsche aufzuhängen, wußte ich, dass da vorne auf dem Sofa mein Rettungsring liegt, im wahrsten Sinne des Wortes, auf der Sachebene - aber auch auf der emotionalen Ebene! Wenn ich Halt brauchte, weil ich kraft- und fassungslos war, konnte ich diesen Holzring greifen, ihn und mich an ihm festhalten und durchhalten, bis es wieder besser würde ...
Es wurde besser, es wird auch nach zwei Jahren immer noch besser, und mein Stickring ist dabei nach wie vor mein Rettungsring!

Und jetzt Du!
Meine Geschichte vom Stick-Rettungsring habe ich Dir erzählt, weil ich hoffe, dass Du mir auch von Deinem Rettungsring oder -anker erzählst. Ich möchte gerne erfahren, woran Du Dich festhältst, wenn Du fassungslos bist!
Vielleicht kann meine Geschichte ja Deine Gedanken zu diesem Thema in Bewegung bringen, dann schreib' sie einfach auf und teile sie mit mir.
Und dann hoffe ich auch noch, dass Du zukünftig einen besonderen Blick für Stickringe hast, vielleicht sogar selbst mal zu einem greifst ... mehr Kreuzstich für die Welt! Wer weiß, vielleicht steckt ja auch eine Stickerin in Dir und da möchte ich nichts unversucht lassen, sie hervorzulocken. :-)
Natascha

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